Mein drittes Leben

Daniela Krien
Mein drittes Leben
Diogenes 2024
294 Seiten
ISBN 978-3-257-07305-8
Nach dem plötzlichen Tod ihrer geliebten Tochter zerbricht für Linda, die Erzählerin, die Welt. In ihrer Trauer bringt sie wie betäubt die Tage hinter sich, unfähig, Trost zu finden. Sie unterteilt ihr Leben in drei Abschnitte: ein von politischen Umbrüchen und privatem Schmerz geprägtes erstes Leben; ein geglücktes zweites mit Ehemann, Tochter und erfüllendem Beruf; und schließlich das dritte, das nur noch aus Lähmung, Einsamkeit und Trauer besteht.
Aufgewachsen in der DDR, gegen ihren Willen mit ihrer Mutter und deren neuen Ehemann in den Westen gezogen, bleibt Linda ihr Leben lang heimatlos. Erst als Erwachsene kehrt sie nach Leipzig zurück. Mit dem sensiblen Maler Richard, einem erfüllenden Job als Kuratorin und der Geburt ihrer Tochter Sonja scheint ihr Glück perfekt – bis der Unfalltod der Tochter alles in ihr auslöscht.
Linda verlässt ihren Mann, zieht sich auf einen alten Hof zurück, lebt mit Hühnern, Schmerzen und dem Wunsch, einfach zu verschwinden. Immer wieder denkt sie an den letzten Moment mit ihrer Tochter:
„Wie ein schwarzes Loch steht es im Zentrum meines Seins.“
Auch die anderen Figuren ringen mit Krankheit, Tod, Verzweiflung – selbst Lindas Körper ist vom Krebs befallen, doch diese Chance zu sterben bleibt ihr verwehrt. Überall Tod, Schmerz, Abschiede: Die Nachbarin hat ebenfalls Krebs, die beste Freundin denkt über Sterbehilfe nach, auch Richard wird schwer krank.
Trotz aller Düsternis zieht der Roman einen in seinen Bann. Daniela Krien entwirft ein erschütterndes Bild von Trauer und Identitätsverlust, doch lässt uns Lesende nicht ohne Trost zurück: Am Ende scheint so etwas wie Hoffnung auf.
Was mich jedoch störte: Linda leidet ganz offensichtlich an einer schweren Depression mit Suizidgefahr. Doch nirgends wird professionelle Hilfe auch nur angedeutet. Das wirkt fahrlässig – als würde sich so ein Zustand stets allein durch Zeit, Einsamkeit und Hühnerställe bewältigen lassen. Ein fatales Signal in einer Zeit, in der mentale Gesundheit kein Tabuthema mehr sein sollte.
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