Wohnverwandtschaften

Isabel Bogdan
Wohnverwandtschaften
Kiepenheuer & Witsch 2024
269 Seiten
ISBN 978-3-462-00419-9
Was passiert, wenn eine bunt zusammengewürfelte Wohngemeinschaft plötzlich mit einer Herausforderung konfrontiert wird, die keiner von ihnen eingeplant hat?
Im Mittelpunkt stehen vier sehr unterschiedliche Menschen: Jörg, Ende 60, verwitwet und Besitzer der Wohnung, plant eine große Reise mit seinem Wohnmobil, während er den Verlust seiner Frau noch immer spürt. Anke, eine Schauspielerin um die 50, kämpft mit Geldsorgen und der bitteren Erkenntnis, dass ihre Karriere sich dem Ende neigt. Murat, ein durchweg optimistischer und lebensfroher Mensch, der die Anderen oft mitreißt aber auch gelegentlich nervt, kämpft eher mit Vergangenem als mit Gegenwärtigem. Und dann ist da noch die jüngste Mitbewohnerin Constanze, eine Zahnärztin, die sich lieber nicht festlegen will.
Jede*r von ihnen bringt eigene Herausforderungen mit, doch bald zeigt sich ein größeres und zudem gemeinsames Problem: Jörg leidet an den ersten Anzeichen einer Demenz, will es aber nicht wahrhaben – und auch die anderen MitbewohnerInnen bis auf Constanze drücken zunächst die Augen zu. Erst nach und nach müssen sie sich der Realität stellen. Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, mal aus der Ich-Perspektive, mal in Dialogform, mit Zeitsprüngen von einigen Wochen, sodass man die WG insgesamt zwei Jahre begleitet.
Bogdan erzählt mit viel Mitgefühl und einem Hauch Idealismus. Während Demenz in der Realität oft eine belastende und herausfordernde Thematik ist, wird sie hier eher sanft behandelt, ohne allzu tief in die problematischen Aspekte einzutauchen. Zwar stehen die Figuren durchaus vor Schwierigkeiten, doch es gibt stets eine positive Wendung, und das Miteinander wird in einem etwas zu harmonischen Licht dargestellt. Wer eine realistische Auseinandersetzung mit Demenz erwartet, könnte sich an dieser manchmal idealisierten Darstellung stören. Doch als warmherzige Geschichte über Zusammenhalt, Veränderung und das Leben in einer Wahlfamilie funktioniert der Roman sehr gut.
Empfehlenswert für alle, die gerne lebensnahe, aber nicht zu schwere Geschichten lesen, die berühren, ohne zu bedrücken.
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