Die Verdorbenen

Michael Köhlmeier
Die Verdorbenen
Hanser 2025
158 Seiten
ISBN 978-3-446-28250-6
Johann, der Ich-Erzähler, kommt Anfang der 1970er-Jahre zum Studieren nach Marburg – Politik und Germanistik. In seinem Tutorium lernt er Christiane und Tommi kennen, ein Paar, das seit Kindheitstagen zusammen ist. Nach einem Spaziergang mit Johann entscheidet Christiane, fortan mit ihm zusammen sein zu wollen – und er lässt es geschehen, ohne wirklich verliebt zu sein. Doch Tommi zieht sich nicht zurück, und so entsteht eine seltsame, aber fatale Dreiecksbeziehung.
Johann erzählt minutiös vom müßigen Studentenleben im linken Marburg der frühen Siebziger, entlarvt nebenbei, wie viele seiner Kommilitonen den revolutionären Geist dieser Zeit nur als Pose übernahmen, berichtet von Besuchen bei seinen Eltern in Österreich – und von seinem immer bizarrer werdenden Verhältnis zu Tommi und Christiane. Dann flieht er regelrecht und schildert völlig sachlich, wie er seinen Eltern eine beträchtliche Summe Geld stiehlt – ohne ersichtliches Ziel. Spontan bricht er zu einem Ausflug nach Ostende auf, der ein fatales Ende nimmt.
Zurück in Marburg macht er eine entsetzliche Entdeckung und erklärt sich bei der Polizei fälschlicherweise schuldig, einen Mord begangen zu haben. Jenen Satz, den sein Gegenüber daraufhin sagt – „Du aber bist ein durch und durch und von allem Anfang bis in Ewigkeit Unschuldiger, und das ist fürwahr das Widerlichste, wozu es ein Mensch bringen kann“ – könnte man als Schlüssel zum Roman lesen.
Denn Köhlmeier erzählt nicht vom klassischen „Bösen“, das aus Grausamkeit oder Hass entsteht. Er zeigt etwas Verstörenderes: eine Leere, in der Moral, Mitgefühl und Leidenschaft schlicht fehlen. Johann ist kein Täter im üblichen Sinn, eher ein Mensch, dem jede innere Bewegung abhandengekommen ist – ein Abwesender im eigenen Leben.
Ich gestehe, ich weiß nicht recht, was ich mit diesem Buch anfangen soll. Überall steht zu lesen, es gehe um „die Entstehung des Bösen“ – und auch der Titel macht klar, um welche Art von Personen es sich bei den drei Hauptfiguren handelt. Doch wo ist es, dieses Böse – und das Verdorbene? In der Beziehung von Johann, Christiane und Tommi, in der keine Spur von Liebe, nur Gleichgültigkeit herrscht? In Johann selbst, dessen Indifferenz sich auf alles erstreckt – seine Eltern, seine Freunde, das Leben überhaupt? Ist Gleichgültigkeit schon böse? Vielleicht. Oder vielleicht ist sie einfach nur leer.
Für mich bleibt jedenfalls eine verstörend kühle Geschichte über Menschen, die nichts empfinden – und man ist am Ende froh, ihnen nicht im eigenen Leben zu begegnen.


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