Im toten Winkel

Jochen Rausch
Im toten Winkel
Piper 2023
299 Seiten
ISBN 978-3-492-07164-2
Irgendwo kläfft ein Hund. Wenn Du das in einem deutschen Roman liest, weißt du: Jetzt wird’s provinziell. Willkommen in Schwarzbach, einem fiktiven Ort am Rand von Deutschland – oder besser gesagt: am Rand von allem. Denn hinter idyllischer Fassade lauern hier religiöser Fanatismus, Drogenhandel und sexualisierte Gewalt. Und mittendrin: Marta Milutinovic.
Die hat wirklich alles verloren – ihre Tochter wurde ermordet, ihre Ehe ist kaputt, und im Dienst hat sie jemandem ordentlich eine mitgegeben. Therapie? Fehlanzeige. Stattdessen zieht sie sich nach Schwarzbach zurück, übernimmt ein kleines Polizeirevier und fängt an, in einem alten, ungelösten Mordfall herumzustochern. Das kommt, wenig überraschend, nicht bei allen gut an.
Jochen Rausch schreibt dicht, düster und schnörkellos. Fast auf jeder Seite passiert etwas – ein Angriff, ein neuer Verdacht, ein seelischer Tiefschlag für Marta. Manchmal vielleicht etwas zu viel des Guten (Triggerwarnung: es wird heftig), man könnte meinen, die Verfilmung sei praktisch schon mitgedacht.
Was das Buch besonders macht: Marta trägt ihre Vergangenheit wie eine bleierne Weste, was ihre Entscheidungen beeinflusst – oft auf tragische Weise. Sie will Gerechtigkeit, aber sie ist zu verletzt, um noch klar zu sehen. Das macht sie menschlich und fesselnd – auch wenn darüber leider die Nebenfiguren und der Handlungsort ein wenig auf der Strecke bleiben.
Fazit: Düster, beklemmend, mit filmreifer Wucht – aber nix für zarte Seelen. Wer gern mit den Schattenseiten der Provinz auf Tuchfühlung geht und psychologisch komplexe Ermittlerfiguren mag, dürfte hier auf seine Kosten kommen. Und wer weiß – vielleicht entfaltet Schwarzbach ja im nächsten Teil noch mehr Grenzlandpotenzial.
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