Kleine Probleme

Nele Pollatschek
Kleine Probleme
Galiani Berlin 2023
198 Seiten
ISBN 978-3-86971-240-6
Ein tragischer Ritter in trauriger Gestalt – so wirkt der Protagonist dieses Romans auf mich. Lars, 49, ein Prokrastinierer der Meisterklasse, möchte die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr nutzen, um endlich all die Dinge anzugehen, die sich über das Jahr (besser: die Jahre) angesammelt haben. Klingt nach einem Plan – doch wie das so ist mit den guten Vorsätzen … plötzlich ist Silvester, und ihm bleiben weniger als 24 Stunden, um alles zu erledigen.
Er erstellt eine To-Do-Liste mit 13 Punkten – darunter so Kleinigkeiten wie: ein Bett aufbauen, die Steuer machen, die Regenrinne säubern, das Lebenswerk überdenken … 🫣
Jede Aufgabe wird in einem eigenen Kapitel behandelt. Dabei driftet Lars regelmäßig ab – in Gedanken, in Erinnerungen, in philosophische Exkurse. So zum Beispiel beim Thema Ordnung, wo er wissenschaftlich darlegt, warum Ordnung rein statistisch gesehen eigentlich gar nicht existieren kann. Oder beim Bettenaufbau, wo er kurzzeitig zu einem modernen Adam wird und den Dingen neue Namen gibt.
Das ist alles herrlich amüsant, voller Sprachwitz, mit klugen Gedankenspielen und einem melancholischen Unterton. Denn je weiter man liest, desto klarer wird: Diese plötzliche „Arbeitswut“ hat einen traurigen Hintergrund.
Lars ist ein liebenswerter Antiheld – einer, den man gleichzeitig in den Arm nehmen und kräftig durchschütteln möchte. Intelligent, phantasievoll, kindlich kreativ – aber auch heillos überfordert mit dem Leben.
Ein ungewöhnlicher Roman über das, was wir aufschieben, über die großen und kleinen Baustellen des Lebens – und über die Frage, ob man an einem einzigen Tag die Kontrolle über das eigene Leben zurückgewinnen kann.
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