Das Geräusch einer Schnecke beim Essen

Elisabeth Tova Bailey
Das Geräusch einer Schnecke beim Essen
Aus dem Englischen von Kathrin Razum
Nagel & Kimche 2012
162 Seiten
ISBN 978-3-312-00496-0
Die Biologin und Journalistin Elisabeth Tova Bailey infiziert sich mit einem gefährlichen Virus, der sie zu einer radikalen Entschleunigung zwingt. Während sie kaum noch fähig ist sich zu bewegen, bringt ihr eine Freundin einen Blumentopf mitsamt lebendiger Waldschnecke in ihr Zimmer – ein Gast, der zum Mittelpunkt einer stillen Verwandlung wird.
Bailey richtet der Schnecke ein Miniaturhabitat ein, ein Moos- und Farnland, das sie aus ihrer horizontalen Perspektive wie eine neue Welt betrachtet. Die Schnecke bewegt sich darin mit stoischer Ruhe, und Baileys Gedanken beginnen, diesem Rhythmus zu folgen. Die Unruhe weicht, der Puls beruhigt sich, und aus passiver Beobachtung wird ein beinahe spirituelles Sich-Einlassen.
Bailey lässt sich Bücher über Schnecken zuschicken, wobei ihre Lektüren eine eigentümliche Mischung sind: alte Gelehrte, die der Schnecke Erfindungsgeist zuschreiben, moderne Forscher, Dichterinnen wie Elizabeth Bishop oder Patricia Highsmith, die dasselbe Tier in Kunst verwandeln. Alles fließt zusammen zu einem Text, der weder naturwissenschaftlich noch rein poetisch ist, sondern etwas Drittes: eine Meditation über Wahrnehmung und Entschleunigung.
Und irgendwann ist da wieder die Außenwelt – Wolken, Blüten, Vogelrufe. Und Bailey entdeckt, dass sie plötzlich Geduld aufbringen muss, um die Schnecke zu beobachten. Doch die Schnecke bleibt ihr innerer Kompass für Ruhe.


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