Ein dementer Serienmörder
Kim Young-ha
Aufzeichnungen eines Serienmörders
Aus dem Koreanischen von Inwon Park
Cass 2020
152 Seiten
ISBN 978-3-944751-22-1
Wenn Serienmörder alt werden, sitzen die dann nicht im Gefängnis? Vermutlich ist das wohl die ’normale‘ Schlussfolgerung bei einem solchen Satzanfang. Aber was ist mit all denen, die nicht geschnappt werden? Plagt sie ein schlechtes Gewissen? Wollen sie etwas gutmachen? Oder es nochmal wissen?
Byongsu Kim ist 70 Jahre und leidet an einer schnell fortschreitenden Art von Alzheimer. Bis vor ca. 25 Jahren hat er unzählige Menschen umgebracht, nicht aus Mordlust oder Sadismus, sondern aus
„Hoffnung auf eine höhere, auf die vollkommene Lust.“
Nun, als er merkt, wie ihm sein Leben zu entgleiten beginnt, hat er in seinem Umfeld einen Konkurrenten. Ein Serienmörder, der junge Frauen tötet. Bei einer Zufallsbegegnung glaubt er, diesen erkannt zu haben und ist überzeugt, dass jener seine Tochter töten will. Byongsu Kim hat nur noch einen Wunsch: ihm zuvorzukommen. Da ihn sein Gedächtnis aber immer mehr im Stich lässt, beginnt er alles aufzuschreiben und aufzunehmen.
Diese Aufzeichnungen bekommen wir nun in diesem Buch zu lesen und zwar so, wie er die Dinge um sich herum wahrnimmt. In seinen lichten Momenten, die zusehends weniger werden, notiert er Geschehnisse (fand sich auf der Polizeiwache wieder), Gedanken, Erinnerungen oder ganz banale Feststellungen (Die Heizkosten sind extrem hoch. Alles wird teurer.). Man kann ihm Satz für Satz folgen, wie er immer weiter die Kontrolle über sein Ich verliert, obwohl er mit allen Möglichkeiten dagegen ankämpft. Ohne Erfolg.
Auch wenn die Hauptfigur ein Serienmörder ist und damit vielleicht der Eindruck entsteht, es handle sich hier um einen Krimi, ist es vielmehr die Innenansicht eines Alzheimerpatienten – zugegebenermaßen eines besonderen. Durch die kurzen Notizen, in denen er seine zunehmende Demenz auch erkennt, kommt man ihm als Menschen erstaunlich nahe. Und mich haben weniger seine Morde beschäftigt als die Frage: Wie will er das noch hinbekommen mit dem Mord an seinem ‚Konkurrenten‘?
Das Ende ist überraschend, aber passt und ich habe mit dieser Lösung das Buch nochmals durchgeblättert, was sich wirklich lohnt. Denn plötzlich sieht so Manches ganz anders aus …
Eine tolle Idee, wie das Thema Demenz bekannter gemacht werden kann – und ein klasse Buch!
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