Der Magier im Kreml
Giuliano Da Empoli
Der Magier im Kreml
Aus dem Französischen von Michaela Meßner
C.H. Beck 2023
261 Seiten
ISBN 978-3-406-79993-8
Auch wenn der Titel „Der Magier im Kreml“ lautet, geht es hauptsächlich um die Entwicklung Putins, wie dieser vom Chef des FSB zum diktatorischen Präsidenten Russlands wurde. Während die Rahmenhandlung von einem fiktiven französischen Literaturwissenschaftler erzählt wird, handelt es sich bei den weiteren Genannten weitestgehend um reale Personen, überwiegend mit ihren echten Namen. Auch die geschilderten Ereignisse basieren grundsätzlich auf tatsächlichen Begebenheiten, sodass man beim Lesen immer mehr vergisst, dass es sich hier um ein fiktionales Werk handelt. Oder nicht?
Der eigentliche Erzähler, „Der Magier“, ist Wadim Baranow, angelehnt an den echten Wladislaw Surkow, ein früherer enger Berater des russischen Präsidenten. Von ihm erfahren wir, wie Putin von Oligarchen und Baranows Hilfe zum Herrscher Russlands aufgebaut wurde, sich aber bald von ihnen löste um seine eigenen Ziele zu verfolgen. Baranow bleibt dabei an Putins Seite und unterstützt ihn bei den Tschetschenienkriegen, der Beendigung der Demokratisierung und bis in die unmittelbare Gegenwart beim Aufbau eines neuen russischen Nationalismus samt Krimbesetzung und Krieg in der Ostukraine seit 2014.
Doch Baranow schildert nicht nur das äussere Geschehen, er beschreibt auch die Hintergründe die es möglich machten, dass Putin vom russischen Volk als Heilsbringer gesehen wurde und noch immer wird. Und manche dieser Aussagen sind vielleicht nicht nur auf Russland zutreffend:
„Die Politik verfolgt einziges Ziel: Sie reagiert auf die Ängste der Menschen. Deshalb wird der Staat in dem Moment, in dem er nicht mehr in der Lage ist, seine Bürger vor der Angst zu schützen, bis auf die Grundfesten seiner Existenz wieder in Frage gestellt.“
S. 103
„Es wird immer Enttäuschte, Frustrierte und Verlierer geben, zu jeder Zeit und unter jedem Regime. Stalin hatte erkannt, dass Wut eine strukturelle Gegebenheit ist. Mal ist sie stärker und mal schwächer, aber ganz verschwindet sie nie. Sie ist eine der Grundströmungen, die die Gesellschaft beherrschen. Es geht also nicht darum, sie zu bekämpfen, sondern nur darum, richtig mit ihr umzugehen: Damit sie nicht über die Ufer tritt und alles auf ihrem Weg zerstört, müssen ständig Ventile geschaffen werden. Situationen, in denen sich die Wut entladen kann, ohne das System zu gefährden.“
S. 142f.
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