Ein Hund kam in die Küche
Sepp Mall
Ein Hund kam in die Küche
leykam: 2023
191 Seiten
ISBN 978-3-7011-8286-2
Sepp Malls neuer Roman „Ein Hund kam in die Küche“ erzählt von der „Option“ während der Dreißigerjahre in Südtirol, als die Menschen vor die Wahl gestellt wurden, ins Deutsche Reich überzusiedeln oder in Südtirol zu bleiben. Etwa 75.000 Südtiroler entschieden sich für die Übersiedlung, darunter die Familie des Protagonisten, des 11jährigen Ludi.
Er erzählt, wie er gemeinsam mit seiner besten Freundin Katharina, deren Familie ebenfalls auswandern wird, durchs Dorf zieht um Abschied zu nehmen. Später, in Innsbruck, ihrer ersten Station, wird die Familie von Hanno getrennt, dem kleinen Bruder Ludis, der geistig und körperlich stark beeinträchtigt, aber auch kreativ und liebenswert ist, von Allen geliebt wird und gut in der früheren Dorfgemeinschaft eingebunden war. Die Mutter und Ludi bringen ihn selbst in das vermeintliche Kinderheim, dass Hanno fördern soll, wo es das letzte Mal ist, dass sie ihn sehen.
Zu dritt kommen sie nach Oberösterreich in ein kleines Dorf an der Donau, wo ihnen eine Wohnung zugewiesen wird und kurz darauf der Vater ins Feld zieht. Ludi verbringt eine vergleichsweise unbeschwerte Zeit mit einem neuen besten Freund, bis die Nachricht vom Tod seines kleinen Bruders eintrifft: Er sei ‚an Lungenentzündung‘ gestorben.
Man könnte fürchten, ein kindlicher Ich-Erzähler verharmlose das Grauen jener Zeit, doch gerade durch Ludis Umgang mit der Sprache werden die Schrecken und Katastrophen umso deutlicher. Gleich zu Beginn fehlen Vater und Mutter Worte für den Abschied, „Als wären sie ihnen mit der Zeit verloren gegangen, aus dem Sprachsack gefallen, Buchstabe für Buchstabe …“. Auch ein Feld ist für ihn erst ein Rüben-, Weizenfeld oder Kartoffelacker, bis ihm sein bester Freund erzählt, dass sein Bruder „… im Feld geblieben.“ ist.
Überzeugend und eindringlich schildert er seine Eindrücke und die Gefühle der Verlorenheit: „Nein, hier an diesem Ort gab es keine Erinnerungen, die mir gehörten und die ich mit jemandem teilen konnte.“
Ein schönes, aber vor allem ein trauriges Buch, das deutlich zeigt, dass ein Krieg immer nur Verlierer hinterlässt.
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