Vom Atmen unter Wasser
Lisa-Marie Dickreiter
Vom Atmen unter Wasser
bloomsbury 2012
270 Seiten
ISBN 978-3-8333-0789-8
Was für ein schrecklich trauriges, aber dennoch eindringliches Buch, das sich kaum in einem Stück lesen lässt.
Die 16-jährige Sarah, Tochter der Familie Bergmann, wurde ermordet. Ein Jahr ist seitdem vergangen, und die Trauer über den Verlust ist in der Familie noch immer allgegenwärtig. Besonders Anne, Sarahs Mutter, leidet unermesslich unter dem Tod ihrer Tochter und versucht sogar, sich das Leben zu nehmen. Jo, Sarahs Vater, bittet daraufhin den Sohn Simon, wieder nach Hause zu ziehen und sich um Anne zu kümmern. Simon, der zeitlebens im Schatten Sarahs stand, kommt dieser Bitte nur widerwillig nach – was zu neuen Spannungen führt.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive der drei Familienmitglieder erzählt: Anne, Jo und Simon. Jeder trauert auf seine eigene Weise, und diese unterschiedlichen Ausdrucksformen der Trauer lassen die familiären Beziehungen zunehmend zerbrechen. Während für Jo und Simon das Leben allmählich weitergeht und der Schmerz abnimmt, ist Anne in ihrem unendlichen Leid gefangen – es scheint nicht schwächer, sondern immer stärker zu werden. Jo kann das kaum nachvollziehen und leidet fast mehr darunter, dass er für Anne praktisch unsichtbar geworden ist, als unter dem Verlust Sarahs.
Der Schmerz der drei Hauptfiguren ist auf jeder Seite spürbar. Der Text ist im Präsens verfasst, mit kurzen, knappen Sätzen, die minutiös festhalten, was gehört, gesehen und gefühlt wird. Diese Konzentration auf das Jetzt, um nicht an das Vergangene denken zu müssen, verleiht dem Buch eine bedrückende Intensität. Ich habe nicht mehr als zwei oder drei Kapitel am Stück lesen können und musste das Buch dann zur Seite legen. Vermutlich will niemand wissen, wie es ist, das eigene Kind zu verlieren – schon gar nicht auf eine solch grausame Weise. Doch dieses Buch lässt es einen zumindest erahnen.
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