Hey Guten Morgen, Wie Geht Es Dir?
Martina Hefter
Hey Guten Morgen, wie geht es Dir?
Klett-Cotta 2024
220 Seiten
ISBN 978-3-608-12353-1
Juno ist Mitte 50 und lebt in Leipzig mit ihrem schwerkranken Mann, den sie liebevoll pflegt. Das Geld ist knapp: Sie ist Künstlerin und erhält unregelmäßige, meist zu geringe Fördergelder; ihr Mann, ein Schriftsteller, kann nur ab und zu mit Preisgeldern die Haushaltskasse aufstocken. Junos Alltag ist erschöpfend: Tag und Nacht ist sie gedanklich und körperlich bei ihrem Mann, mit dem sie schon lange keine echte Partnerschaft mehr führen kann. Die ständigen Geldsorgen, die oft bis zur Frage reichen, ob das Essen reichen wird, und die Schlaflosigkeit, die sie fast jede Nacht quält, lasten schwer auf ihr. Einzig die Vorbereitungen für ihre Auftritte und das Tanzen bringen ihr Lichtblicke – und das nächtliche Chatten mit sogenannten Love-Scammern, denen sie fantasievolle Geschichten erzählt.
Eines Nachts stößt sie dabei auf Benu aus Nigeria. Obwohl sie ihm sofort zu verstehen gibt, dass sie seine Absichten durchschaut, schreibt Benu weiter – und Juno beginnt zu antworten. Mit der Zeit entwickelt sich eine Art Schreib- und Videofreundschaft, die selbst Juno überrascht.
In ihrem autofiktionalen Roman zeigt die Autorin deutlich, wie viel Kraft und Hingabe die Pflege eines schwer kranken Menschen verlangt. Zugleich beschreibt sie die Anstrengung, sich gegen Gefühle wie Mitgefühl, Zuneigung oder sogar Liebe zu wappnen, in einer Situation der ständigen Überforderung. Auch wenn Juno sich bewusst ist, dass eine echte Beziehung unmöglich ist oder dass Benu es vielleicht nicht ehrlich meint, wächst in ihr der Wunsch nach einer Verbindung zu einem anderen Menschen. Fasziniert von Benus Herkunft beginnt sie, sich mit Nigeria, Kolonialismus und Rassismus zu beschäftigen.
Die Chats machen nur einen kleinen Teil des Romans aus, es stehen Junos Innenleben, ihre Arbeit und ihre Gedanken im Mittelpunkt. Dennoch bleibt sie als Figur eher blass, und ich vermute, dass sie mir nicht lange im Gedächtnis bleiben wird wie auch das Buch insgesamt – auch wenn dieses Werk den Deutschen Buchpreis gewonnen hat.
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