Geschichten über Menschen auf der Suche nach einem Halt im Leben – und ein Krimi obendrauf
Friedrich Ani
All die unbewohnten Zimmer
Suhrkamp 2019
494 Seiten
ISBN 978-3-518-42850-4
Das Buch beginnt, wie viele Kapitel in diesem Buch beginnen: mit einem Personalpronomen, von dem man nicht weiss, wen es bezeichnet. Erst mit den fortlaufenden Sätzen wird deutlich, um wen es sich im Einzelnen handelt. Und vielleicht ist dies auch eine der Quintessenzen des Buches: Nichts ist so wie es scheint. Und nur eine Kleinigkeit – und schon könnte Alles anders sein. Oder hätte anders sein können.
Der Prolog beginnt mit einer Szene aus dem letzten Viertel, der mit dem direkt daran anschließenden 1. Teil nichts zu tun hat, in dem ein vermeintlicher Amokschütze eine Frau erschießt und einen Polizisten verletzt. Erzählt wird dies von Fariza Nasri, die vor acht Jahren von einem Kollegen denunziert und daraufhin in die Provinz abgeschoben wurde; doch der Leiter des K111 holte sie vor kurzem wieder zurück.
Fast zeitgleich zum Amoklauf wird im 2. Teil in der Nähe einer rechten Demonstration ein erschlagener Polizist aufgefunden, ohne jeden Hinweis auf mögliche Täter. Um diese Tat und die Aufklärung herum ranken sich die Geschichten unterschiedlichster Personen, die in irgendeiner Weise mit dem Fall zu tun haben, was meist nicht sofort offensichtlich ist. Es sind Menschen, die schwere Schicksalsschläge erfuhren, manchmal schleichend, die meisten plötzlich. Praktisch Alle haben sich nie davon erholt, doch verbergen sie ihre Verletzungen unter Vorspiegelung einer scheinbaren Normalität, zumindest ein Teil von ihnen. Auch die verschiedenen ErmittlerInnen sind hiervon nicht ausgenommen, insbesondere Tabor Süden, den gelegentliche neue Suchaufträge seiner früheren Chefin aus seiner Verdüsterung herausreißen.
Friedrich Ani ist ein feinsinniger und geistvoller Erzähler, der seine Figuren in all ihrer Vielschichtigkeit darstellt, sodass sie auf mich beinahe wie real existierende Menschen wirkten. Es ist keine ’normale‘ spannende Mordermittlung, die die Lesenden hier erwartet; sie ist vielmehr das Band, das all die beschriebenen Personen miteinander verbindet, deren Geschichten wir hier erfahren. Völlig zu Recht bezeichnet der Verlag dieses Buch als einen Roman und nicht als Krimi.
Eine beeindruckende Lektüre!
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