Antichristie
Mithu Sanyal
Antichristie
Hanser 2024
539 Seiten
ISBN 978-3-446-28076-2
Puh, das war mühsam. Nicht dass das Buch schwierig zu lesen wäre; es ist durchaus amüsant geschrieben. Und die Geschichte ist voller witziger Einfälle. Aber was einem bei dieser Lektüre auf über 530 Seiten um die Ohren gehauen wird, ist eine derartige Fülle von zumeist schrecklichen Informationen, die einen schier erschlägt. Doch der Reihe nach.
Durga, 50 Jahre alt, erfolgreiche Drehbuchautorin, Tochter einer Deutschen und eines Inders, fährt kurz nach dem Tod ihrer Mutter zu einem Workshop in London, wo in einer multikulturellen, diversen Gruppe an einer kritischen Verfilmung von Agatha Christies Werken gearbeitet werden soll. Als sie in der Stadt unterwegs ist, findet sie sich plötzlich im London von 1906 als junger Mann wieder und kommt in Kontakt mit indischen Nationalisten. Junge Männer, die ihr wohlbekannt sind durch ihre Mutter, die eine glühende Kämpferin für das unabhängige Indien war. Durga, jetzt ein junger indischer Mann namens Sanjeev, wird wohlwollend von der Gruppe aufgenommen, die im India House lebt, einem Studentenwohnheim für indische Studierende, das sich zur Basis der Revolutionäre entwickelt, die für die Unabhängigkeit Indiens kämpfen. Sanjeev, die sich als Durga stets für Gewaltfreiheit einsetzte und eine große Bewunderin Ghandis war, lernt nun eine Realität kennen, die viele seiner/ihrer Überzeugungen in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Parallel dazu ist Durga weiterhin Teilnehmerin des Workshops, der von heftigen Demonstrationen gegen die Neuverfilmung sowie lebhaften Diskussionen in der Gruppe über Kolonialismus, Rassismus, Unterdrückung usw. begleitet wird und muss gleichzeitig versuchen, mit ihrer Trauer über den Tod ihrer Mutter klar zu kommen.
Die Geschichte wird wirklich amüsant erzählt, aber man wird in recht kurzer Zeit derart mit Information zugeschüttet, dass man am Ende kaum noch weiß, wann wer wo was gemacht hat. Die kolonialen Verbrechen Englands (und das sind nicht wenige), über die kein Mensch redet und die dadurch kaum bekannt sind; die Lebenswege bekannter Persönlichkeiten wie beispielsweise Ghandi, der gegenüber Moslems ein Rassist ohnegleichen war; das ständige Springen in verschiedene Zeitebenen – und nicht nur die beiden von Durga; die vielen für zumindest mich ungewohnten Namen; der Wechsel zwischen realen und komplett erfundenen Geschehnissen wie auch Themen: Kolonialismus, Filmdrehbuch, Rassismus, Tod der Königin, Diskriminierung, Tod der Mutter. Zeitweise war es mir einfach zu viel und ich habe das Buch zur Seite gelegt, sodass es vergleichsweise lange dauerte, bis ich es durch hatte. Etwas weniger von Allem, weniger Themen, weniger Personen, weniger Zeitsprünge, weniger Zeitebenen – vermutlich hätte ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen. So war es leider eher eine mittlere Quälerei.
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