Reclam-Verlag
Reclam-Verlag
Gegründet am 1. Oktober 1828 in Leipzig von Anton Philipp Reclam.
Der Verlag war anfangs mit der politischen Bewegung des Vormärz verbunden, weshalb ein Leipziger Gericht Philipp Reclam 1848 zu einer Gefängnisstrafe verurteilte, der die Übersetzung eines verbotenen Werkes herausgebracht hatte. Nach der gescheiterten Märzrevolution 1848 und den empfindlichen Verkaufseinbußen, konzentrierte sich der Verlag nun weniger auf politisch und literarisch Aufsässiges, sondern stattdessen auf auflagenstarke Werke der klassischen Bildung.
1867 erschien der erste Band der Universal-Bibliothek: Goethes Faust I, danach folgte Lessings Nathan der Weise, Theodor Körners Liedersammlung Leyer und Schwert und Shakespeares Romeo und Julie. Durch moderne Technik und erfolgreiches Marketing konnte Reclam seine Taschenbücher sehr günstig verkaufen, pro Jahr erschienen rund 140 Bände, neben deutschen Autoren auch europäische Literatur, antike und philosophische Werke, Gesetzestexte, musikalische Werke (Libretti), Nachschlagewerke und Unterhaltungsliteratur.
Nach dem Tod Anton Philipp Reclam 1896 ging die Verlagsleitung an seinen Sohn Hans Heinrich Reclam (1840-1920) über, der vorher schon wesentlich am Aufbau der Universal-Bibliothek beteiligt war. Ab 1920 übernahmen die Enkel von Philipp Reclam, Hans Emil Reclam und Ernst Reclam, die Verlagsleitung und zeitgleich wurden auch verstärkt zeitgenössische AutorInnen veröffentlicht.
Nach dem II. Weltkrieg wurden in Leipzig, der sowjetischen Besatzungszone, die Verlagsarbeiten derart massiv erschwert, dass Ernst Reclam (Hans Emil war bereits verstorben) in der amerikanischen Besatzungszone in Stuttgart einen neuen Verlagsstandort suchte und dort die Reclam Verlag GmbH gründete, zunächst noch als Filiale des Leipziger Stammhauses. 1950 wurde Stuttgart zum neuen Stammsitz, während Ernst Reclam durch die neue Führung der DDR verboten wurde, Reclam Leipzig von Stuttgart aus zu leiten. Reclam Leipzig kam unter staatliche Verwaltung, der Verlag spaltete sich auf.
Reclam Stuttgart arbeitete zunächst hauptsächlich für Schulen, ab 1964 verstärkt auch für Universitäten. Ab 1985 ging die Geschäftsführung des Verlags an die Reclam Geschäftsführung GmbH über, geleitet von Dietrich Bode und Stefan Reclam-Klinkhardt, die 1998 von dem Literaturwissenschaftler Frank R. Max abgelöst wurden. Sein Nachfolger war von 2015 bis 2022 der Hamburger Rechtsanwalt und Unternehmensberater Wolfgang Kattanek, seit März 2022 ist Alexander Koeppl Geschäftsführer des Verlags.
In Leipzig, nunmehr Teil der DDR, wurden weiterhin die sehr erschwinglichen Bände der Universal-Bibliothek herausgegeben: neben Werken der Weltliteratur und deutschen Klassikern erschienen auch DDR-Autoren. Hans Marquardt, der eingesetzte Verlagsleiter, bemühte sich, literarische und philosophische Werke mit umfangreichen Kommentaren versehen zu lassen und versuchte ebenso, die Grenzen des in der DDR noch Erlaubten auszuloten.
Nach der Wende dauerte es durch die komplizierte Rechtslage schließlich drei Jahre, bis Reclam Leipzig als Tochtergesellschaft Reclam Bibliothek Leipzig weitergeführt wurde. Im Frühjahr 2006 wurde das ehemalige Stammhaus in Leipzig mit zuletzt noch vier Mitarbeitenden geschlossen, sodass seitdem Reclam ausschließlich in Ditzingen tätig ist, wohin sowohl Verlag wie auch Druckerei 1980 umgezogen sind.
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