Klatschgeschichten des 18. Jahrhunderts

Cover Die militante Madonna von Irene Dische

Irene Dische
Die militante Madonna
Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach
Hoffmann und Campe 2021
219 Seiten
ISBN 978-3-455-01196-8

Viele unserer heutigen Stars und Sternchen würden neben Chevalier d’Éon, einem Adligen aus dem 18. Jahrhundert, regelrecht blass aussehen. Er war Botschafter Frankreichs in England, Agent, Soldat, ein Hochstapler, Büchernarr, Freimaurer und genoss es, immer wieder als Frau zu leben.

Die Natur hat mir das großzügigste Geschenk gemacht, äußerlich beiden Geschlechtern anzugehören. Hierher rührte die öffentliche Verwirrung. Ich war mit einer Stimme gesegnet, die für einen Mann als sehr hoch und für eine Frau als sehr tief galt. Ich war groß für eine Frau und klein für einen Mann. Hatte schöne Knöchel, sowohl für einen Mann als auch für eine Frau. Meine Uniform betonte meine Stärke und Beweglichkeit, ein Ballkleid hob meine Anmut hervor, und mein Alter spielte keine Rolle. Ich war nie auch nur auf die Idee gekommen, das eine Geschlecht zugunsten des anderen aufgeben zu müssen.

Die Gesellschaft akzeptierte das mit nicht mehr Geraune als heutzutage, doch immer wieder kam es durch Wetten mit ausufernden Einsätzen darüber, welches Geschlecht der Chevalier habe, zu Eklats. Seine Freunde, der Klatschjournalist Morande sowie der Dramatiker Beaumarchais versuchten dadurch an Geld zu kommen und fädelten eine Reihe Intrigen ein.

Es ist eine illustre Lebensspanne, die Irene Dische durch den Chevalier selbst erzählen lässt, der sich direkt an sein lesendes Publikum wendet. Es wird gelogen, betrogen, intrigiert und geschmeichelt, wobei die Hauptfigur sich noch zurückhält. Doch wie seine Freunde vorgehen, nur auf den eigenen Vorteil bedacht und ohne Rücksicht auf Verluste, lässt mich nur den Kopf schütteln. Was findet er an diesen entsetzlichen Menschen, dass er ihnen über Jahre hinweg die Treue hält?

So wenig man eine Antwort auf diese Frage erhält, so wenig erfährt man über die tieferen Beweggründe der einzelnen Figuren. Die Charaktere wirken blass, die einzelnen Personen bleiben nicht im Gedächtnis. In erster Linie ist es ein unterhaltsames Panoptikum, in dessen Zentrum der Chevalier d’Éon steht; ein Buch mit Klatsch- und Tratschgeschichten aus dem 18. Jahrhundert. Heutzutage liest man so etwas in der GALA 😉

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