Memoria
Mal wieder liefert uns Zoё Beck einen düsteren Ausblick in die nahe Zukunft, in der aufgrund der ständigen großen Hitze Waldbrände an der Tagesordnung sind. Der Abstand zwischen reich und arm hat sich erheblich vergrößert, sodass ein gewaltiges Prekariat entstanden ist, das sich nicht einmal mehr eine eigene Wohnung leisten kann. Harriet ist ein Teil davon, lebt in Frankfurt wie viele Andere in einem verlassenen Bürotower, der für Obdachlose von der Stadt als Unterkunft freigegeben wurde. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich mehr schlecht als recht als Security in einem Luxuskaufhaus und bessert sich ihr geringes Gehalt gelegentlich mit einem Job als Klavierstimmerin auf. Als es während einer Zugfahrt zu einem außerplanmäßigen Halt wegen eines Waldbrandes kommt, rettet sie mit zwei Mitreisenden eine ältere Frau aus ihrem Haus, die Harriet scheinbar kennt, was sie später jedoch vehement bestreitet. Noch merkwürdiger wird es, als Harriet feststellt, dass sie Autofahren kann und einen Führerschein hat – davon aber nichts weiß. Erinnerungen blitzen auf, mit denen sie nichts anfangen kann und als sie Nachforschungen anstellt, weiß sie nicht, dass sie damit ihr Leben riskiert. Je mehr sie sich mit ihrer Vergangenheit beschäftigt, desto unklarer wird erst einmal alles. Was ist wahr, was nicht? Verliert sie ihr Gedächtnis wie ihr dementer Vater, der im Heim ist?
Wer eine kritische Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Situation oder der Manipulation des Gedächtnisses erwartet, wird enttäuscht. Die düsteren Zukunftsvisionen wie auch Krisen, die schon heute aktuell sind, werden nur angerissen und dienen als Hintergrund für diesen dennoch packenden Thriller, der jede Menge Überraschungen bietet. Alles in allem ein spannendes und wirklich gutes Buch in einer tollen Sprache, das man nur schwer aus der Hand legen kann.
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