Toffee

Sarah Crossan
Toffee
Aus dem Englischen von Beate Schäfer
Hanser 2024
351 Seiten
ISBN 978-3-446-27593-5
Ein schreckliches, aber gleichzeitig großartiges Buch – ja, das geht. Und Toffee zeigt eindrucksvoll, wie.
Allison ist sechzehn und flieht. Nicht vor sich selbst oder der ersten großen Liebe, sondern vor ihrem Vater – einem brutalen, unberechenbaren Mann, der sie auf entsetzliche Weise misshandelt hat. Als er sie wieder einmal schwer verletzt, ist für Allison der Punkt erreicht, an dem sie nur noch eines kann: weglaufen. Wohin? Keine Ahnung. Hauptsache weg.
Sie versteckt sich in einer Scheune neben einem scheinbar verlassenen Haus. In ihrer Verzweiflung versucht sie, die Ex-Freundin ihres Vaters zu erreichen – jene Frau, die Allison einst mitnehmen wollte, als sie ihn verließ. Damals fehlte Allison noch der Mut. Jetzt könnte es zu spät sein.
Als sie sich schließlich in das Haus schleicht, trifft sie auf Marla – eine alte Frau, die sie für Toffee hält, eine Jugendfreundin aus längst vergangenen Tagen. Allison spielt mit. Sie nimmt die Rolle an, wohl wissend, dass das alles nur vorübergehend sein kann. Aber für den Moment bietet Marlas Verwechslung ihr ein Dach über dem Kopf – und vielleicht sogar etwas wie Nähe.
Besonders erschütternd sind Allisons Erinnerungen an das Leben mit ihrem Vater. Geprägt von Angst, Schmerz, Schuldgefühlen. Immer wieder fragt sie sich, was sie falsch gemacht hat, warum sie nicht gut genug war, um geliebt zu werden. Die wenigen freundlichen Momente sind kaum mehr als flüchtige Andeutungen – wie ein schwacher Lichtschein in einem finsteren Raum.
Erzählt wird das alles in Versform – schnörkellos, klar, fast nüchtern. Gerade das macht den Text so intensiv. Die Lücken zwischen den Zeilen sprechen oft lauter als die Worte selbst. Und trotz allem gibt es auch zarte, fast zärtliche Szenen, stille Momente, in denen man lächelt – und sich dabei ertappt, wie sehr einem diese beiden Figuren ans Herz gewachsen sind: Allison, mit ihrer zerbrechlichen Stärke. Und Marla, die zwar ihre Vergangenheit verliert, aber auf ihre Weise doch Halt gibt.
Toffee ist ein aufwühlendes, glaubwürdiges, tief berührendes Buch. Kein Wohlfühlroman, aber ein Werk, das bleibt. Völlig zu Recht wurde es 2023 mit dem „LUCHS“-Preis ausgezeichnet und 2024 von der Jugendjury für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
Ein Buch, das einem unter die Haut geht – und dort bleibt.
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