Haus zur Sonne

Thomas Melle
Haus zur Sonne
Kiepenheuer & Witsch 2025
316 Seiten
ISBN 978-3-462-00465-6
Vom perfekten Hühnerfrikassee über Rockstarträume, Weltreisen und Lottogewinn bis zu hemmungslosen Sexfantasien – im Roman Haus zur Sonne von Thomas Melle werden dem Ich-Erzähler alle Wünsche erfüllt. Allerdings nur als Simulation, in einer Klinik, die ihren Patienten zum Abschied noch ein paar Illusionen gönnt.
Nach seinem autobiografischen Buch Die Welt im Rücken über die bipolare Störung bleibt Melle auch hier bei seinem Thema. Der depressive Erzähler, Anfang 50, hat nach einem manischen Schub alles verloren und meldet sich in einem Hospiz namens „Haus zur Sonne“ – einem Ort, der Sterbehilfe und Simulation zur zynischen Geschäftsidee verbindet.
Hier erlebt er letzte Träume: er reist, fliegt, heiratet, schreibt endlich sein Buch. Doch je schöner die Illusion, desto deutlicher wird das Menschenverachtende dahinter. Melle thematisiert Sterbehilfe, Einsamkeit, Selbstbestimmung – und die Frage, wie viel Autonomie psychisch Erkrankten zugestanden wird.
Das „Haus zur Sonne“ ist kein tröstlicher Ort, eher eine literarische Versuchsanordnung zwischen Tod, Therapie und Täuschung. Mit bitterem Witz zählt der Erzähler unmögliche Suizidmethoden auf, beobachtet Mitpatienten und hadert mit seinem Entschluss, der in dieser „perfiden Maschinerie“ unwiderruflich ist.
Wer Die Welt im Rücken schon fordernd fand, wird auch hier keine leichte Lektüre bekommen. Aber Melle gelingt es, die Zerrissenheit seines Helden in präzise Sprache zu fassen, voller existenzieller Schärfe und dunklem Humor.
Ein wichtiger, mutiger Roman über Krankheit, Würde und den Versuch, das eigene Ende zu gestalten – nominiert für den Wilhelm-Raabe-Preis und die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2025.


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