Aus der Balance

Megan Abbott
Aus der Balance
Aus dem Amerikanischen von Karen Gerwig und Angelika Müller
Pulp Master 2023
414 Seiten
ISBN 978-3-946582-16-8
Nach dem Unfalltod ihrer Eltern führen die Schwestern Marie und Dara die Ballettschule Durant ihrer Mutter weiter. Gemeinsam leben sie in ihrem Elternhaus mit Daras Ehemann Charlie, der als Teenager bei ihnen einzog und der Lieblingsschüler ihrer Mutter wurde, jedoch seinen Körper im Ballett ruiniert hat. Es ist Spätherbst, und die anstrengende Zeit beginnt, in der die Vorbereitungen für die jährliche „Nussknacker“-Aufführung starten. Ausgerechnet jetzt bricht in einem der Ballettsäle ein Feuer aus, weshalb der Bauunternehmer Derek mit der Renovierung beauftragt wird. Doch er widmet sich nicht nur der Arbeit, sondern auch Marie, die bald regelrecht besessen von ihm scheint. Das vormals so harmonische Trio scheint auseinanderzufallen, und plötzlich sieht es sogar so aus, als ob Derek es darauf anlegt, ihre ganze Existenz aufs Spiel zu setzen.
Megan Abbott gelingt es hervorragend, die düstere und bedrückende Atmosphäre dieser Welt einzufangen. Nicht nur die einstige Ballettschule wird zur Ruine, in der disziplinierter Tanz und rohe Gewalt aufeinandertreffen, sondern auch das Wohnhaus der Schwestern, ein unrenovierter alter Kasten, und Charlies geschundener Körper. Dara, aus deren Perspektive der Roman überwiegend erzählt wird, versucht verzweifelt, die Kontrolle zu behalten, während durch Dereks Anwesenheit alte Traumata und Familienkonflikte immer stärker an die Oberfläche dringen.
Spannung bezieht dieser Roman aus den vagen Erinnerungen, den Andeutungen und den Gegensätzen, von denen die Geschichte lebt: Dara (kühl, streng und kontrolliert), Marie (gefühlvoll und sanft) und Derek (roh und grob); Stärke und Zerbrechlichkeit, Kontrolle und Leidenschaft, Schönheit und Selbstzerstörung, Liebe und Hass, Sex und Gewalt.
Blut und Action wird man hier nicht finden, aber psychologische Spannung vom Feinsten in einem Milieu, in dem man das nicht unbedingt erwarten würde. Und Ballett sehe ich jetzt mit anderen Augen. 😉
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