Was wirklich zählt
Kent Haruf
Kostbare Tage
Aus dem Amerikanischen von pociao und Roberto de Hollanda
Diogenes 2020
345 Seiten
ISBN 978-3-257-07125-2
Es ist Sommer in Holt, einer Kleinstadt in Colorado. Und es wird der letzte Sommer sein für Dad Lewis, der sein ganzes Leben dort verbrachte. Dad hat Krebs und ihm bleibt noch ein Monat, vielleicht etwas länger.
Von dieser Zeit erzählt ‚Kostbare Tage‘ und trotz dieses eigentlich trostlosen Themas ist es nie hoffnungslos, kitschig oder schwülstig. Man lernt nicht nur Dad und seine Familie kennen: seine ihn voller Hingabe pflegende Frau Mary, die auch er noch immer von ganzem Herzen liebt; ihre Tochter Lorraine, die ihren Eltern zur Seite steht; und ihren Sohn Frank, von dem sie schon Jahre nichts mehr gehört haben. Da gibt es noch die Johnsons, Mutter und Tochter, die gegen die Einsamkeit kämpfen; den neuen Reverend Lyle, der nicht nur mit der Gemeinde, sondern auch seiner Familie Schwierigkeiten hat; seinen Sohn John, der eine erste Liebe der besonderen Art erlebt; und Berta, die Nachbarin, mit ihrer kleinen Enkelin Alice, die für Alle eine Hoffnung darstellt.
Für Alle ist dieser Sommer eine besondere Zeit, denn es gibt eine Menge Abschiede. Kent Haruf erzählt davon in einem ruhigen und fast schon sachlichem Ton, der zwar eine melancholische Stimmung entstehen lässt, aber auch nicht mehr. Er ist ein aufmerksamer Beobachter, jede Kleinigkeit ist es wert, festgehalten zu werden, doch stets nur beschreibend, nie wertend. So genau sind seine Darstellungen, dass man die Kleinstadt und ihre Menschen bald deutlich vor Augen hat und ihre Ängste, Gedanken und Sorgen mitfühlen kann. Und merkwürdigerweise wird es nicht langweilig, obwohl nichts wirklich Aufregendes geschieht. Ein bisschen ist es, als ob man Menschen, die man mag, ein Stück in ihrem Leben begleitet. Nicht mehr – und nicht weniger 😊
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