An der A26
Pascal Garnier
An der A26
Aus dem Französischen von Felix Mayer
Septime 2024
137 Seiten
ISBN 978-3-99120-026-0
Pascal Garnier, ein bereits 2010 verstorbener französischer Schriftsteller, schreibt richtig düstere Krimis, die dank des kleinen Septime Verlages nun auch in Deutsch veröffentlicht werden. „An der A26“ ist nach „Der Beifahrer“ das zweite Buch und taucht derart tief in die Abgründe menschlicher und gesellschaftlicher Dunkelheit ein, dass ich nach dem Ende des dünnen Büchleins (110 Seiten zu lesen) erst mal meine Gedanken sortieren musste. Garnier erzählt hier von einem Serienmörder, der auf den ehemaligen Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs sein Unwesen treibt, und verbindet diese schaurige Zeit mit der Erinnerung an die Gräueltaten, die vielen Frauen in Frankreich während der deutschen Besatzungszeit angetan wurden.
Die Gegend an der Autoroute A 26, die von Calais nach Troyes verläuft, bildet den Hintergrund dieser düsteren Erzählung. Grau, trist und beklemmend ist es dort, eine Landschaft, die die blutgetränkte Geschichte Frankreichs widerspiegelt. Ebenso bedrückend ist das Leben der Geschwister Yolande und Bernard Bonnet, die in einem verwahrlosten Haus am Rande einer heruntergekommenen Kleinstadt leben. Yolande hat seit der Befreiung Frankreichs das Haus nicht mehr verlassen, seit sie von ihren Landsmännern kahlgeschoren wurde, weil sie eine Beziehung zu einem deutschen Soldaten hatte. Ihr Bruder Bernard ist gezwungen, sich um sie zu kümmern, was ihn sein eigenes Lebensglück kostet.
Garnier zeichnet die Charaktere mit einer Mischung aus grotesker Überzeichnung und beklemmendem Realismus. Yolande, die in ihrer eigenen schmutzigen Welt am Rande des Wahnsinns lebt, und Bernard, der nach einer tödlichen Diagnose zum Serienmörder wird, verkörpern die tiefen Risse in der menschlichen Psyche. Die grausame und fast-inzestuöse Beziehung der Geschwister, die Verwahrlosung und Gewalt, die ihr Leben prägen, werden in einer Weise dargestellt, die überaus realitätsgetreu wirkt.
Garnier, der als einer der Meister des Roman Noir gilt, schafft es, in diesem Werk eine Atmosphäre der Beklemmung und Desillusionierung zu erzeugen, die einen beim Lesen nicht loslässt. „An der A 26“ ist eine bitterböse, psychologisch tiefgründige und brutal ehrliche Erzählung, die die tiefen Wunden der Vergangenheit und die Abgründe der menschlichen Seele offenlegt.
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